Veranstaltung: | Landesparteitag 20./21.04.2018 |
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Tagesordnungspunkt: | 3 Anträge |
Antragsteller*in: | Phil-James Stange |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 23.03.2018, 22:56 |
A20: Saubere Luft für Kiel und Anwohner des Theodor-Heuss-Rings
Antragstext
Die Landesregierung, vertreten durch den Minister für Energiewende,
Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung, Herrn Dr. Robert Habeck, soll
das Klageverfahren der Deutschen Umwelthilfe (DUH) vor dem Verwaltungsgericht
Schleswig beenden, indem es ein Anerkenntnis abgibt und sich damit verpflichtet,
die rechtlich gebotenen und notwendigen Maßnahmen zur Luftreinhaltung in Kiel am
Theodor-Heuss-Ring - notfalls auch Fahrverbote - im Rahmen des aktuellen
Luftreinhalteplans einzuarbeiten und umzusetzen.
Begründung
1.) Vor einiger Zeit wurde bekannt, dass das Unternehmen Volkswagen und andere Deutsche Autofirmen Tierversuche und sogar Menschenversuche in verschiedenen Laboren bezüglich der Gesundheitsgefahren von Stickstoffdioxid (NO2) in Auftrag gegeben hatten. Bundesweit gab es insbesondere auch von allen Parteien in Deutschland moralische Entrüstung, sogar VW hat diese Vorgehensweise verurteilt und sich dafür entschuldigt. Der seit 2012 u. a. in Kiel in der Realität stattfindende Menschenversuch an den Anwohnern des Theodor-Heuss-Rings (Kiel) wird aber - ohne solche moralische Entrüstung - einfach fortgesetzt. Ein solch widersprüchliches Verhalten ist nicht nachvollziehbar und schon garnicht zu rechtfertigen.
2.) Die von den Grenzwertüberschreitungen am Theodor-Heuss-Ring in Kiel betroffenen Anwohner gehören wirklich zu den Schwächsten der Gesellschaft. Im Rahmen einer Bürger-Sprech-Stunde der betroffenen Ortsbeiräte der Landeshauptstadt Kiel vom 07.02.2018 gab es erhebliche Kritik ggü. dem Bürgermeister und der Stadtverwaltung. Insbesondere gab es keinerlei Verständnis dafür, dass deren Gesundheit zu Gunsten der freien Fahrt von Autofahrern geopfert werde. Unter den Anwohnern befinden sich viele Rentner und Bürger ausländischer Herkunft. Sie beklagen nicht nur die Überschreitung des Luftgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2), sondern auch eine erhebliche Lärmbelästigung. Obwohl jeder einzelne Anwohner das Recht hätte, das Land Schleswig-Holstein vor dem Verwaltungsgericht auf Einhaltung des NO2 Grenzwertes zu verklagen, sehen Sie hiervon ab. Sie hoffen, dass die Klage der DUH insoweit ausreichend ist.
3.) Seit dem Jahr 2012 wird das Recht der Anwohner des Theodor-Heuss-Rings in Kiel auf saubere Luft und Gesundheit verletzt. Ein solcher Gesetzes- und Verfassungsverstoß ist ohne Beispiel. Noch nie hat es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland den Fall gegeben, dass regierende Poliitker sich so beharrlich über eine solch lange Dauer rechtswidrig verhalten haben. Wenn Demokraten den Rechtsstaat so negieren, ist das der Anfang vom Ende des Rechtsstaats. Gerade wenn man sich gegen erheblich zunehmende verfassungswidrige und rechtsstaatswidrige Bestrebungen wehren und verteidigen will, ist ein solches Verhalten untragbar.
Die zwischenzeitlich ergangenen höchstrichterlichen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig ggü. den Landesregierungen Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg betreffend die Städte Düsseldorf und Stuttgart haben gezeigt, dass es keinerlei Zweifel daran geben kann, dass erforderlichenfalls Fahrverbote im notwendigen Umfang, rechtlich zulässig sind, um den in Kiel seit 2012 überschrittenen Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) i. H. v. 40 μg/m³ schnellstmöglich einzuhalten. Eine Fortsetzung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreits ist weder rechtlich noch politisch und schon garnicht wirtschaftlich sinnvoll. Vielmehr ist es angezeigt, einvernehmlich mit dem DUH den Grenzwert in Kiel schnellstmöglich soweit zu reduzieren, dass der Grenzwert eingehalten werden kann.
Zwar hat es im Jahr 2017 eine deutliche Reduzierung des Wertes auch in Kiel gegeben. Jedoch kennt niemand den Grund hierfür. Es kann also auch möglich sein, dass diese erstmalige wesentliche Reduzierung der Grenzwert-überschreitung seit 2012 sich nicht wiederholt. Insbesondere die Erwartung des Oberbürgermeisters der Stadt Kiel, Herr Ulf Kämpfer, dass der Grenzwert ohne Fahrverbote ab 2020 oder 2021 eingehalten werde, ist in keinster Art und Weise wissenschaftlich belegt. Es handelt sich hierbei mehr um eine Hoffnung, die ja bekanntlich zuletzt stirbt. Die Absicht von Herrn Kämpfer seine Hoffnung durch ein von VW bezahltes Gutachten belegen zu wollen, spricht schon Bände. Aber selbst wenn es so wäre, dass der NO2-Grenzwert in Kiel ab 2020/2021 eingehalten wird, ist die weitere zeitliche Verzögerung angesichts der bereits bestehenden 6-jährigen Grenzwertüberschreitung nicht hinnehmbar.
Im Bundesland Bayern liegt für die Stadt München bereits seit geraumer Zeit eine rechtskräftige Entscheidung des dort zuständigen Verwaltungsgerichts vor. Weil sich die Umweltministerin des Landes Bayern trotzdem weiterhin weigert, notwendige Fahrverbote umzusetzen, ist im Rahmen eines wiederholten Vollstreckungsantrages ein Zwangsgeld beschlossen worden. Erforderlichenfalls wird es zu eine Zwangsverhaftung ggü. der Umweltministerin des Landes Bayern kommen. Ein solch unwürdiges Verhalten einer Regierung sollte im hohen Norden nicht erforderlich sein!
4.) Weitere Schein-Maßnahmen oder Schein-Hindernisse der von regierenden Politikern bevorzugten Verzögerungsstrategie sind auch offensichtlich gescheitert bzw. unsinnig:
a) Nach dem Erlass der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts wurde die Luftnummer des kostenlosen ÖPNV von der Bundesregierung benannt. Bereits knapp einen Monat später hört man hierüber nichts mehr, die erhebliche Finanzierung war nie gewollt.
b) Sogar die Polizei wurde mehrfach bemüht, indem deren Vertreter sagten, es sei garnicht möglich, Fahrverbote zu kontrollieren, weil die Fahrzeuge und deren Abgaseinstufung nicht erkennbar seien und eine einzelne Prüfung durch Anhalten der Fahrzeuge personnell nicht machbar sei. Dieser Schein-Einwand geht einher mit der behaupteten Notwendigkeit der Einführung einer blauen bzw. laut Umweltbundesamt hellblauen und dunkelblauen Plakette. Die frühere Bundesumweltministerin Hendricks hätte sogar die Einführung eines Fuchsschwanzes befürwortet (siehe Manta, Manta).
Dabei wissen Alle die solche Vorschäge bzw. Hinweise gegeben haben, dass all das überhaupt nicht notwendig ist. Die Kontrolle eines Fahrverbotes ist ganz einfach mittels bereits ausführlich getesteter Kennzeichen-Scanner möglich. So werden maschinell sämtliche Kennzeichen erfasst, welche eine Straße befahren. Deren Abgleich mit den beim KBA registrierten Abgaseinstufungen zum jeweiligen Kennzeichen läßt sich ohne weiteres mittels behördlicher Online-Abfrage ermöglichen.
c) Der Oberbürgermeister Kämpfer hat wiederholt davon gesprochen, dass er kein Verkehrschaos in Kiel auslösen wolle. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Die Verhängung eines auch Umgehungsstraßen umfassenden Fahrverbotes, wie von der DUH im Rahmen des Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Schleswig eingeklagt, würde die aktuelle erhebliche Belastung der B76 im Kieler Stadtbereich für eine Entlastung sorgen, weil weniger Verkehr herrschen würde, und somit auch die zunehmende Zahl von Verkehrsunfällen auf der B76 reduzieren.
d) Die von den Autoherstellern geforderte Hardware-Nachrüstung der alten Diesel-Pkw wird es trotz allen Verlangens der Gesellschaft (auch DUH) und Politik offensichtlich nicht geben. Jedenfalls haben bisher alle Autohersteller und deren Verband solche Maßnahme auf eigene Kosten abgelehnt. An dieser ablehnenden Haltung könnten eventuell aber verhängte Fahrverbote etwas ändern.
e) Die bisherigen Maßnahmen der Erneuerung von städtischen Bussen und Umweltprämien der Autohersteller bei Neukauf und Verschrottung eines alten Diesel-Pkw werden keine hinreichende Lösung in absehbarer Zeit bringen.
5.) Auch das einzige Argument gegen Fahrverbote, welches im Einzelnen zu prüfen gilt, nämlich dass die Fahrverbote unschuldige Diesel-Fahrer treffen würde, die teilweise wirtschaftlich nicht in der Lage seien, sich ein anderes, nicht vom Fahrverbot betroffenes Fahrzeug zu kaufen, ist bei genauerer Betrachtung nicht maßgebend. So haben Pkw-Käufer, die sich nach dem Bekannt werden des Diesel-Skandals im September 2015 noch einen Diesel-Pkw gekauft haben, eine erhebliche Mitschuld. Im übrigen können Diesel-Fahrer sich seit heute der von der Bundesregierung ermöglichten Musterfeststellungsklage, welche ca. ab November 2018 eingeführt wird, anschließen und somit ohne Kostenrisiko Schadensersatzansprüche ggü. den Autoherstellern zivilgerichtlich klären lassen. Diese zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche - soweit Sie gerichtlich festgestellt werden - werden der Höhe nach durch Einführung von Fahrverboten tendenziell auch eher erhöht, was sich zum Nachteil der Autoindustrie auswirken würde. Somit könnten Fahrverbote auch wieder Gerechtigkeit herstellen, weil der ursprüngliche Verursacher, die internationale Autoindustrie, erheblich finanziell herangezogen werden könnten, wenn die Deutsche Gerichtsbarkeit solche Ansprüche bestätigt. Sollte schließlich die Deutsche Gerichtsbarkeit - wider Erwarten - insoweit keine ausgleichende Gerechtigkeit herstellen, könnte die Politik durch eine Klage des Staates ggü. der internationalen Autoindustrie wegen Schadensersatzansprüche aus entgangenen Steuereinnahmen (Kfz-Steuer) infolge falscher, weil zu niedriger Verbrauchsangaben, sich einen ordentlichen Geldbetrag (letzte Schätzung ca. 1,5 Milliarden Euro) beschaffen, um sodann im Rahmen einer sozialstaatlichen Aufwandsentschädigung die betroffenen Diesel-Fahrer zu entlasten.
Abschließend ist festzustellen, dass wenn der Diesel-Skandal ohne erhebliche Folgen für die Deutsche Gesellschaft bleibt eine jederzeitige ähnliche Wiederholung in der EU droht. In den U. S. A. aufgrund der dort angefallenen Geldstrafen wohl nicht.
Auch kann der Diesel-Fahrer die Haltung einnehmen, dass wenn er sogar dort fahren darf, wo er die Gesundheit von Menschen verletzt, es überhaupt keinerlei Veranlassung gibt auf ein umweltfreundlicheres Auto, den ÖPNV oder das Fahrrad umzusteigen. Mithin ist eine echte Verkehrswende zumindest auf absehbare Zeit gefährdet. Mithin ist so auch mittelbar eine weitere Verschärfung des Klimawandels zu befürchten.
Nach alledem bitte ich dem Antrag stattzugeben!
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