Antrag: | Reaktionen auf den Angriffskrieg in Afrin |
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Antragsteller*in: | Luise Amtsberg, KV Kiel;; Benita v. Brackel-Schmidt, KV Flensburg; Dany Greulich, KV Nordfriesland; Steffen; Regis, KV Kiel; Anna Tranziska, KV Pinneberg; Amina Touré, KV Neumünster; Konstantin von Notz, KV Lauenburg; Jörn Pohl, KV Kiel; Elisabeth Horstkötter, KV Kiel |
Status: | Geprüft |
Eingereicht: | 20.04.2018, 11:00 |
A 22 NEU zu A22: Reaktionen auf den Angriffskrieg in Afrin
Antragstext
Es braucht eine politische Lösung für Syrien
Der Bürgerkrieg in Syrien befindet sich nun im siebten Jahr. Die am bewaffneten Konflikt beteiligten Akteure haben sich schwerer Verstöße gegen die Menschenrechte, gegen das Völkerrecht und diverser Kriegsverbrechen schuldig gemacht. Längst schon geht es in diesem Krieg nicht mehr nur um Syrien, vielmehr wird Syrien zum Spielball der Interessen von Großmächten wie den USA und Russland, aber auch der Türkei, dem Iran und Saudi-Arabien.
Seit Anfang dieses Jahres haben die Luftangriffe von syrischer und russischer Seite noch einmal deutlich zugenommen. Auch die Offensiven vom Boden her wurden intensiviert. Gezielt werden Versorgungsstrukturen und zivile Einrichtungen attackiert und zerstört.
Unter dem Vorwand des Kampfes gegen dschihadistische Gruppen bricht Baschar Al-Assad immer wieder vorsätzlich das Völkerrecht. Ob durch den, mittlerweile klar belegten, Einsatz von chemischen Kampfstoffen, Fass- oder bunkerbrechenden Bomben - die Leidtragenden war und ist vor Allem die Zivilbevölkerung in Syrien, darunter zahlreiche Kinder.
Ende Januar 2018 startete die Türkei mit der „Operation Olivenzweig“ den völkerrechtswidrigen Einmarsch in die nordsyrische Region Afrin, die bis dato zu einem der Hauptrückzugsgebiete für Flüchtlinge und Binnenvertriebene galt. Der Einmarsch der Türkei ist innenpolitisch motiviert, er soll von der schlechten wirtschaftlichen Entwicklung und einer tief gespaltenen Gesellschaft ablenken. Nach der Aufkündigung der Friedensgespräche mit der PKK und einem unverhältnismäßigen militärischen Einsatz auch gegen die kurdische Zivilbevölkerung im Südosten der Türkei hat Präsident Erdoğan es bisher nicht geschafft, eine tragfähige politische Lösung der sogenannten Kurdenfrage anzubieten. Der türkische Einmarsch nutzt vor allem den syrischen und russischen Kriegsinteressen, denn er richtet sich gegen die innenpolitische Opposition Assads und treibt einen Keil zwischen die Türkei und ihre NATO-Partner – allen voran die USA, die bislang die kurdischen Einheiten auch mit Waffen unterstützt haben. Damit rückt eine politische Lösung zur Beendigung des Krieges in Syrien in noch weitere Ferne.
Die Bilder von deutschen Leopard-2-Panzern in Syrien sind eine drastische Illustration der fehlgeleiteten deutschen Rüstungsexportpolitik der letzten Jahre. Immer wieder sind in der Vergangenheit Menschenrechte und Demokratie immer dann in den Hintergrund gerückt, wenn ein lukratives Angebot für die deutsche Rüstungsindustrie heraussprang. Die dramatischen Folgen einer solchen Politik ließen sich spätestens in Afrin nun erneut schmerzlich beobachten.
Festgehalten werden muss auch, dass die im Februar beschlossene UN-Sicherheitsresolution 2401 ist weitgehend wirkungslos geblieben. Die vereinbarte Waffenruhe und der Zugang für humanitäre Helfer*innen zu abgeschnittenen Gebieten konnte nicht durchgesetzt werden.
Am 7. April 2018 wurde die Ortschaft Douma, ein Vorort von Damaskus, von syrischen Streitkräften bombardiert. Dabei kamen mutmaßlich erneut auch chemische Substanzen zum Einsatz. In Reaktion auf den Angriff bombardierten am 14. April 2018 die USA gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien Einrichtungen zur Produktion und Lagerung chemischer Waffen in Syrien. Dieser Vergeltungsschlag zeigt, dass trotz der vielfach beschworenen Formel, es gebe keine militärische Lösung der Konflikte in Syrien, die Akteure dennoch bis heute vorrangig mit militärischen Mitteln agieren, um ihre Interessen durchzusetzen.
Obwohl die internationale Gemeinschaft die zahlreichen Verbrechen in Syrien kritisiert, besteht bis heute weitestgehend Straflosigkeit. Der Internationale Strafgerichtshof kann nicht tätig werden, denn zum einen ist Syrien kein Vertragsstaat, zum anderen wird der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen durch Vetomächte daran gehindert, den Fall an den Internationalen Strafgerichtshof abzugeben.
Bündnis 90/DIE GRÜNEN in Schleswig-Holstein sprechen sich für folgende Grundsätze im Umgang mit dem Konflikt in Syrien aus:
- Es braucht eine sofortige Feuerpause
- Den Vereinten Nationen muss unverzüglich ein sicherer und ungehinderter humanitärer Zugang zu allen Gebieten in Syrien gewährt werden.
- Es muss eine gemeinsame, breit getragene politische Lösung für den Konflikt in Syrien angestrebt werden. Das unsägliche Säbelrasseln unter den Großmächten ist genauso wenig zu ertragen, wie die Sprachlosigkeit der deutschen Bundesregierung und der EU.
- Eine politische Lösung ohne Russland ist undenkbar. Trotz aller Differenzen braucht es einen Dialog mit Russland. Der russische Präsident Putin darf sich einer Aufklärung der Giftgaseinsätze nicht länger entgegenstellen und muss seine Blockadehaltung im Sicherheitsrat und gegen entsprechende UN-Resolutionen endlich aufgeben.
- Sollte Russland weiterhin den Sicherheitsrat blockieren, muss sich die Bundesregierung für eine Dringlichkeitssitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen einsetzen, die kein Staat durch ein Veto verhindern kann.
- Es braucht einen friedlichen, international getragenen Umgang mit der sogenannten Kurdenfrage. Eine Lösung kann nicht in einer weiteren Eskalation des Krieges in Syrien und weiterer militärischer Aufrüstung der Türkei liegen, sondern muss friedlich unter Einbeziehung der betroffenen Staaten und Interessengruppen sowie unter strikter Wahrung des Völkerrechts erreicht werden.
- Die völkerrechtswidrige Intervention der Türkei muss innerhalb der NATO auf die Tagesordnung gebracht werden und die NATO muss offen über entsprechende Konsequenzen diskutieren.
- Alle deutschen Rüstungsexporte in die Türkei müssen umgehend gestoppt werden, bis die Türkei zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zurückkehrt. Pläne zur Beteiligung deutscher Unternehmen an Rüstungskonsortien, wie sie jüngst im Fall von der Rheinmetall AG öffentlich wurden, müssen ausnahmslos unterbunden werden und die bestehende Gesetzeslücke, die solche Vorhaben ermöglicht, dringend geschlossen werden.
- Die humanitären Programme im Bereich der Flüchtlingsversorgung, -aufnahme und -verteilung müssen deutlich intensiviert werden. Besonders das Resettlementprogramm der Vereinten Nationen ist ein wesentlicher Beitrag zur Rettung von besonders Schutzbedürftigen, hier vor allem Kindern, in Syrien und den Anrainerstaaten. Die internationale Gemeinschaft muss die Zusagen für diese Programme ausweiten und die Nachbarstaaten finanziell deutlich stärker unterstützen.
- Auf Grundlage des sogenannten Weltrechtsprinzips kann Deutschland Täter von Kriegsverbrechen vor Gericht stellen. Deutschland und die internationale Staatengemeinschaft müssen daher dafür sorgen, dass die Völkerrechtsverbrechen in Syrien dokumentiert und geahndet werden. Das Völkerstrafrechtsreferat beim Generalbundesanwalt muss finanziell und personell deutlich gestärkt werden.
- Deutschland muss seiner humanitären Verpflichtung weiter nachkommen und legale, sichere Wege in den Asylschutz ermöglichen. Dazu gehört der Familiennachzug zu bereits hier lebenden Syrerinnen und Syrern, aber auch ein starkes Engagement beim Resettlementprogramm der Vereinten Nationen.
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